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Many stories are being told in this book, triggered by only 'one' picture



Der Konditorei- meister

"Sander hat keine Menschen, sondern Typen photographiert. Menschen, die so sehr ihre Klasse, ihren Stand, ihre Kaste repräsentieren, dass das Individuum für die Gruppe genommen werden darf", schreibt Kurt Tucholsky über August Sanders Portraitwerk "Menschen des 20. Jahrhunderts". Dieser Satz ist häufig im Zusammenhang mit den Fotografien von August Sander zu lesen. Er zeigt, dass es ihm gelungen ist, seine Absicht deutlich zu machen, denn "der Versuch zu einem physiognomischen Zeitbild des deutschen Menschen" war das Ziel der 1910 begonnenen Arbeit. Hierzu teilte er seine gesellschaftliche Umwelt in Berufsstände ein und stellte sie durch Fotografien von Menschen dar.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, welche Rolle Sander nicht nur als Autor seiner Bilder, sondern auch als Autor gesellschaftlicher "Realität" einnimmt. Was und wie muss er fotografieren, um zum Beispiel "den Großindustriellen" darzustellen? Welche Ideen muss er hierzu ansprechen und welche Ideen produziert er im Zuge davon selbst? Auf der anderen Seite: Was passiert dabei mit der Person auf dem Bild? Warum sind das keine Menschen, sondern Typen, wie Tucholsky meint?

In einem Text von Kaja Silverman zu Jeff Walls Arbeiten, wurde ich auf die Funktion des Titels bei der Rezeption eines Bildes aufmerksam. Die Autorin macht darin mit Hilfe von Jacques Lacans Begriff des "symbolischen Vaters" deutlich, dass der Titel als Wort, ein "abstraktes, uneinholbares Ideal" bildet, das bei der Rezeption, der visuellen Darstellung vorsteht. Erkenne ich in dem Portrait "den Großindustriellen" nur deshalb, weil als Titel "Großindustrieller" angegeben ist?

In meiner Arbeit wollte ich diesen Sachverhalt anhand August Sanders Fotografie "Der Konditoreimeister" nachvollziehen. Hierzu stellte ich dem Bild verschiedene Titel bei, um zu beobachten, wie sich daraufhin die Rezeption des Bildes verändert.